Besuch in Jhargram: „Jeder zweite Dorfbewohner ist krank bis schwerkrank!”
Beschreiben Sie bitte: Wo liegt unser neues Indien-Projekt?
Nathalie Rans: „Jhargram liegt ca. 200 km von Kalkutta entfernt im indischen Bundesstaat Westbengalen. Die Region ist geprägt von großen und weiten Wäldern, in denen – fernab von jeglicher Zivilisation und medizinischer Versorgung – unterschiedliche indigene Völker leben. Während meines Besuches haben wir in den Wäldern des Distrikt Jhargram einige Dörfer besucht. Hier sind die indigenen Gemeinschaften der Santal, Lodha und Sabar ansässig, die zu den besonders vulnerablen Gesellschaftsgruppen zählen: Sie leiden bis heute unter massiver Armut, Ächtung, fehlendem Zugang zu Bildung und medizinischer Hilfe sowie sozialer Ausgrenzung.”
Wie leben die Menschen?
Nathalie Rans: „Die Menschen leben in einfachen Hütten mit Wellblechdächern oder in Lehmhäusern. Wir durften während unseres Besuches in diese Behausungen hineinschauen - bis auf einige Kochutensilien und wenige Kleidungsstücke befindet sich nichts weiter darin. Die Bewohner schlafen auf dem Boden, es gibt keinerlei sanitäre Anlagen, kein sauberes Wasser, keine Elektrizität. In vielen Dörfern stellt der Alkohol ein gravierendes Problem dar.”
Inwiefern stellt der Alkohol ein Problem dar?
Nathalie Rans: „Bei unserem Besuch sahen wir schon frühmorgens alkoholisierte Männer, völlig unfähig, sich um ihre Familien zu kümmern oder einer Arbeit nachzugehen. Erschreckenderweise wird dieser selbsthergestellte Likör auch genutzt, um die Neugeborenen und Säuglinge zu beruhigen, während ihre Familien in den Wäldern arbeiten, um einige Rupien für dringend benötigtes Essen zu verdienen. Wir fanden Säuglinge im Alter von wenigen Monaten vor, die in Tücher lagen, die wie eine Hängematte zwischen zwei Bäume gespannt waren, betäubt durch Likör. Immer wieder kommt es zu traurigen Zwischenfällen, wie uns von den Dorfbewohnern erzählt wurde. Hier ist dringend Aufklärungsarbeit notwendig.”
Warum lassen die Menschen ihre Kinder alleine?
Nathalie Rans: „Sie müssen in die Wälder gehen. Die größte Einnahmequelle der Familien sind die sogenannten ‚Sal Leaves‘. Das sind die großen Blätter des Salbaums, die zunächst im Wald gesammelt und von den Frauen zusammengenäht werden. Nach Fertigstellung werden sie an Händler verkauft und zu Einwegtellern und Schalen weiterverarbeitet.”