Die Folgen der Pandemie sind in Nairobi nicht zu übersehen
Dr. Ruth Thees-Laurenz ist eine der vier Einsatzärztinnen, die im Januar nach der langen Zwangspause wieder in den Einsatz nach Kenia fliegen konnten. Für die Allgemeinmedizinerin aus Trier war es der vierte Einsatz für die Organisation und bereits der dritte, der sie nach Nairobi in unsere Slum-Ambulanz Baraka führte. Folglich kennt sie sich dort gut aus und kann beurteilen, was sich im Vergleich zu ihren vorherigen Einsätzen in 2017 und 2018 verändert hat.
„Schon in den Jahren zuvor war ich von der Lebenssituation und dem Gesundheitszustand der Patienten, die zu uns kamen, oft erschüttert“, erklärt Dr. Thees-Laurenz nach ihrer Rückkehr. „Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Situation der Menschen in Mathare durch die Pandemie noch weiter verschlimmern könnte. Aber so ist es. Viele der Patienten waren in einem schlechten Ernährungszustand. Ich habe in der Sprechstunde mehr Menschen mit Tuberkulose oder fortgeschrittenen Erkrankungen gesehen als in den Jahren zuvor.“ Zudem zeige sich die Not der Menschen in Details, erklärt die Einsatzärztin: „Unsere Patienten waren bei meinen vorherigen Aufenthalten in Kenia immer sehr bemüht, in der vermutlich einzigen ‚Sonntagskleidung‘ zum Ambulanzbesuch zu kommen. Das war vielen jetzt nicht mehr möglich.“
Indirekte Folgen der Pandemie bedrohen die Existenz unserer Patienten
Zwar kommt Kenia, wie alle afrikanischen Staaten, besser durch die Corona-Pandemie als zu Beginn angenommen. Es sind dort weniger Menschen als anfangs befürchtet am Virus gestorben: Bei 120.910 offiziell gemeldeten Infektionen gibt es bislang 2.011 bestätigte Todesfälle aufgrund einer Corona-Infektion (Zahlen laut WHO). Nicht zu vergessen ist dabei, dass dort sehr wenig getestet wird und solche Zahlen daher nur eine Annäherung an die Realität darstellen.
Die indirekten Folgen der Pandemie sind spürbar und bereiten uns große Sorgen: Der Kampf gegen die Armut wurde um viele Jahre zurückgeworfen, und vulnerable Gesellschaftsgruppen sind besonders betroffen. Die Arbeitslosigkeit ist stark angestiegen, vor allem im informellen Sektor. Viele Menschen wissen nicht mehr, wie sie sich und ihre Familie mit dem Nötigsten versorgen können. Das merken die Mitarbeitenden unserer Slum-Ambulanz Baraka wie auch die Sozialarbeiterinnen bei den Hausbesuchen. Der Bedarf an unserem Ernährungsprogramm war riesig und die Nachfrage ist noch immer hoch. Weitere Folgen der Pandemie sind eine Zunahme an häuslicher Gewalt und Kindesmissbrauch. Auch ist die Anzahl an schwangeren Teenagern leider stark gestiegen.
Immerhin konnten im Januar die Schulen in Kenia wieder öffnen und bieten so den Kindern tagsüber einen sicheren Ort. „Es war mir eine große Freude, auf dem Weg zur Ambulanz wieder strahlende Kinder in ihren Schuluniformen unterwegs Richtung Schule zu sehen“, erzählt Dr. Thees-Laurenz.