Die Lage in unserem Nairobi-Projekt
Bislang sind die schlimmsten Befürchtungen zum Glück nicht eingetreten. Das Virus ist zwar in allen afrikanischen Staaten angekommen und verbreitet sich. Die Todeszahlen sind vergleichsweise moderat. Bis auf die verschärften Hygiene- und Schutzmaßnahmen geht die Arbeit in unserer Ambulanz in Nairobis zweitgrößtem Slum weitestgehend normal weiter.
Lebenssituation für viele Familien im Slum dramatisch
Mit dem Virus bzw. den Maßnahmen zu seiner Eindämmung hat sich die Lebenssituation vieler armer Menschen jedoch weiter verschlechtert: Slumbewohner, die im informellen Sektor beschäftigt waren, haben ihre Jobs verloren und sind nun täglich auf der Suche nach Arbeit, um Geld für die Familie aufzutreiben. Verschärft wird die Notlage vieler Eltern durch die Schulschließungen. Die Schulspeisungen fallen weg. Dies bedeutet, dass die Eltern eine Mahlzeit zusätzlich für ihre Kinder finanzieren müssen. Zudem sind die Kinder tagsüber, während die Eltern versuchen Geld zu verdienen, nicht beaufsichtigt und nicht vor sexuellen Übergriffen geschützt.
Der Hunger ist zurzeit die große Gefahr
Viele Menschen haben in Nairobis zweitgrößtem Slum Mathare Valley, wo wir tätig sind, nicht genug zu essen. Und deshalb haben wir seit Beginn der Pandemie unser Ernährungsprogramm ausgeweitet: 680 Menschen erhalten täglich ihre gekochten Essensrationen von uns. Das sind knapp doppelt so viele wie vor der Pandemie. Die Rationen sind so bemessen, dass sie für zwei Mahlzeiten ausreichen. Zusätzlich haben wir 1.400 Lebensmittelpakete an mehr als 1.100 Familien in Mathare Valley und an unserem neuen Projektstandort Athi River ausgegeben. Diese Pakete beinhalten Lebensmittel wie Reis, Bohnen, Mehl aber auch Seife, und geben einer Familie zwei Wochen lang das Nötigste zum Leben. Weitere Verteilungen sind geplant. Unsere ausgeweitete Nahrungsmittelhilfe werden wir den Menschen in Mathare Valley noch bis mindestens Anfang Dezember anbieten.
Unsere medizinische Arbeit
In unserer Slumambulanz Baraka läuft die Arbeit in einer Art neuen Normalität weiter. Die größte Änderung ist das Fehlen der ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland, die aufgrund der Pandemie nicht reisen können. Die einheimischen Clinical Officers führen die Slumambulanz zurzeit selbständig weiter, unterstützt von einer einheimischen Ärztin und vom engagierten und eingespielten Team. Die Patientenzahlen sind nach anfänglichem Einbruch im Frühjahr wieder auf normalem Niveau. In Baraka sehen wir Patientinnen und Patienten mit einem großen Spektrum an Krankheiten, darunter viele Knochenbrüche, Verbrennungen, Erkältungen und bronchiale Infekte, aber auch noch ernstere Erkrankungen, bei denen die Patienten in ein Krankenhaus überwiesen werden müssen. Selbstverständlich sind die Hygienemaßnahmen in unserer Ambulanz zurzeit verschärft. Vor dem Eintritt in den Wartebereich müssen die Hände gewaschen und desinfiziert werden und alle Patientinnen und Patienten müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, die wir auch ausgeben. Erkrankte, die Covid-19-spezifische Symptome zeigen, werden an die entsprechenden Zentren verwiesen.
Um die chronisch Kranken vor einer Infektion mit Covid-19 zu schützen, haben die einheimischen Mitarbeitenden ihnen ihre Medikamente für einen längeren Zeitraum ausgehändigt. Somit müssen sie, die zur Risikogruppe zählen, nur noch alle drei Monate zu uns kommen und sind dennoch mit ihren teils lebenswichtigen Medikamenten versorgt. Das einheimische Team hält aber trotzdem den Kontakt zu den Patienten. Zurzeit meist telefonisch oder, wenn es notwendig wird, auch mal bei einem Hausbesuch in entsprechender Schutzkleidung.
Covid-19 und die Stimmung in unserem Arbeitsgebiet
Zur Prävention von Infektionen mit Covid-19 haben unsere Partner Desinfektionsbehälter und Wasserbehälter an verschiedenen Stellen im Slum aufgestellt, damit die Menschen sich regelmäßig ihre Hände waschen und desinfizieren können. Außerdem klären wir über die Erkrankung, ihre Symptome und Präventionsmöglichkeiten auf.
Unser Manager George Audi berichtet uns, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung verändert hat: Die Menschen hätten im Vergleich zum Frühjahr weniger Angst vor einer Corona-Infektion und gingen recht sorglos mit der Gefahr einer Ansteckung um. So sähe man im Slum nur noch wenige Menschen, die einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Das Gefühl der Gefahr sei einem Gefühl der Normalität gewichen. Welche Auswirkungen dies auf das weitere Infektionsgeschehen hat, bleibt abzuwarten. Denn in Kenia wird relativ wenig getestet, so dass zurzeit niemand genau weiß, wie hoch die Infektionszahlen tatsächlich sind.