Sierra Leone: Beschneiderinnen legen Messer nieder
Unser Aufklärungs- und Präventionsprojekt zu weiblicher Genitalverstümmelung wird sehr gut angenommen. Bereits zweimal haben wir seit Projektstart im Oktober 2020 unsere Kapazitäten erweitert. Mittlerweile haben wir 600 Mädchen und ihre Familien in unser Projekt aufgenommen. Beim letzten Projektbesuch seitens unserer Partnerorganisation, der Commit & Act Foundation Sierra Leone, legten vor wenigen Wochen einige der Beschneiderinnen zu unserer großen Freude symbolisch ihre Messer nieder. Ein weiteres eindrückliches Zeichen, dass die Kampagne „My body my right“ beginnt, Wirkung zu entfalten. Die Gründerin unserer Partnerorganisation, Hannah Bockarie, war zu Tränen gerührt.
„Das Projekt half mir, die negativen Folgen der Genitalbeschneidung zu verstehen“, erklärte eine der anwesenden Beschneiderinnen ihre Beweggründe für die Abwendung von der brutalen Praxis. „Ich lege hier nun mein Messer nieder als Symbol, dass ich keine Beschneidungen mehr vornehme. Ich werde meine Tochter in die Schule schicken.“ Beim Projektbesuch dankten die anwesenden Frauen der traditionellen Bondo-Gemeinschaft und die Dorfältesten unserer Partnerorganisation für die Aufklärungsarbeit über weibliche Genitalverstümmelung. Die Kampagne habe ihnen die Augen geöffnet. Sie sähen nun auch die Notwendigkeit, Mädchen die Möglichkeit zur Selbstentfaltung und zur Bildung zu geben.
Genitalverstümmelung ist in Sierra Leone keine Straftat
Weibliche Genitalverstümmelung ist in Sierra Leone leider eine weit verbreitete Praxis. Rund 86 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren sind in Sierra Leone laut Angaben von UNICEF Opfer von Genitalverstümmelung (Zahlen aus 2017). Eine solche Beschneidung gilt in Sierra Leone nicht als Straftat. Zusammen mit unserer lokalen Partnerorganisation, der Commit & Act Foundation Sierra Leone, setzen wir in den Familien, in Schulen, Dorfgemeinschaften und auf politischer Ebene mit unseren Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen an, um dieser Praxis ein Ende zu bereiten. Wir arbeiten in fünf Regionen. Dort leben geschätzt 250.000 Menschen, davon 37.000 Mädchen.
Aufklärungskampagne „My body my right“ bewirkt Wertewandel
„Die Messerniederlegung ist ein starkes Symbol, das uns darin bestätigt, die richtigen Ansätze im Projekt zu verfolgen“, erklärt Projektreferentin Anja Bujak die Bedeutung des Aktes. „Dass die gesellschaftlich hoch angesehenen Beschneiderinnen sich öffentlich von dieser Praxis abwenden, mit der sie unter anderem ihren Lebensunterhalt verdienen, zeigt, dass die Menschen ihre Denkweisen reflektieren und bereit für Veränderung sind. Die Aufklärungskampagne beginnt, einen Wertewandel zu bewirken, was nach einer so kurzen Projektlaufzeit von einem Jahr beachtlich ist.“ Besonders wichtig ist die Einbeziehung der traditionellen Beschneiderinnen, der Soweis, in das Projekt. Geplant ist, ihnen alternative Einkommensquellen zu eröffnen, damit sie nicht aus Geldsorgen zurück in alte Traditionen fallen.
Das Projekt „My body my right“ umfasst sowohl Trainings- und Präventionsmaßnahmen für ins Projekt aufgenommene Mädchen und deren Familien wie auch Aufklärungsveranstaltungen in den Dorfgemeinschaften und in den Schulen. Mädchen, deren Familien sich gegen die Beschneidung entschieden haben, werden als neue Rollenvorbilder gestärkt, um so ein Umdenken in den Gemeinschaften zu bewirken. Zusätzlich werden finanzielle Anreize geschaffen: Familien bekommen monatliche Zuwendungen, sofern sie ihre Töchter nicht verstümmeln lassen. Wir hoffen sehr darauf, in Zukunft noch weitere Mädchen aufnehmen zu können – die Warteliste ist sehr lang.