Sierra Leone: Gegen sexuelle Gewalt und weibliche Genitalverstümmelung
Auch die Zahlen über weibliche Genitalverstümmelung sind erschreckend hoch: So sind laut eines Berichts von UNICEF in den Jahren von 2004 bis 2015 rund 90 Prozent der Mädchen und Frauen in Sierra Leone zwischen 15 und 49 Jahren Opfer weiblicher Genitalverstümmelung geworden. In Sierra Leone ist Genitalverstümmelung soziale Norm in der Gesellschaft. Zusammen mit der einheimischen Commit & Act Foundation haben wir nun zwei Projekte zum Schutz von Frauen und Mädchen gestartet.
Ein Schutzhaus für missbrauchte Mädchen und junge Frauen
Das Makeni Girls Shelter ist ein Schutzhaus für Mädchen und junge Frauen, die sexuelle Gewalt und Missbrauch erlitten haben. Es ist ein Ort, an den sie kommen können, um medizinisch und psychologisch betreut zu werden und um zu genesen. Ein Ort, an dem sie temporär ein neues Zuhause finden. Denn nicht selten werden sie nach Bekanntwerden der Tat verstoßen und aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen. Umso mehr, wenn die Mädchen in Folge der sexuellen Tat schwanger geworden sind. Im Schutzhaus finden sie alle notwendigen Ansprechpartnerinnen und Hilfsangebote. Zudem können sie sich untereinander austauschen und gegenseitig stärken. Uns ist es besonders wichtig, dass die Mädchen und junge Frauen ihre Schulbildung nicht abbrechen, sondern weiterführen. Darum unterstützen wir die Commit & Act Foundation bei der Durchführung von Bildungsinitiativen für Mädchen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Unser Ziel ist es, dass die Mädchen nach Durchlaufen des Programms und nach ihrer Genesung nach Möglichkeit wieder in ihre Familie integriert werden und dann auch wieder zur Schule gehen können. Dazu bedarf es der Aufklärung in den Familien und spezieller Trainings. All diese Komponenten gehören zum Projekt, das Anfang Oktober gestartet ist. Jährlich können insgesamt 200 Mädchen und junge Frauen im Schutzhaus aufgenommen werden. Der Projektstandort Makeni liegt 120 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Freetown im Landesinneren.
Das Ziel: Wertewandel in der Gesellschaft etablieren
Um weibliche Genitalverstümmelungspraktiken zu beenden, braucht es einen umfassenden Wertewandel in der betreffenden Gesellschaft. Daher versucht unser neues Projekt neue positive Rollenmodelle in den Familien und in den Gemeinden zu etablieren und zudem finanzielle Anreize zu setzen: Die Familien bekommen über drei Jahre verteilt vierteljährlich einen Beitrag ausgezahlt, um ein kleines Gewerbe zu etablieren, das ihnen in Zukunft den Unterhalt sichert. Mit Fortbildungen werden sie in der praktischen Umsetzung unterstützt. Der Beitrag wird jedes Jahr verringert, damit die Eigenbeteiligung der Eltern steigt.
200 Familien können ins Projekt aufgenommen werden. Aktuell ist der Andrang groß. Unser Ziel ist es sicherzustellen, dass die Mädchen nicht Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung werden und ihre Ausbildung fortsetzen können. Damit werden sie und ihre Familien als alternative Rollenmodelle gestärkt und zu neuen Vorbildern. Dafür erhalten nicht nur die Mädchen, sondern auch die Eltern Trainings, um sie in ihrem persönlichen Prozess als alternative Rollenmodelle in ihrer Gemeinde psychosozial zu begleiten. Vierteljährlich wird von einer Ärztin kontrolliert, dass die Mädchen keine Genitalverstümmelung erlitten haben. Falls doch, wird die Projektteilnahme beendet. Die Untersuchungen gehen auch mit Beratungsgesprächen zu Sexualthemen, Hygiene etc. einher. Auf Gemeindeebene werden Veranstaltungen abgehalten, um den Wertewandel zu fördern. Da das Radio in Sierra Leone viele Zuhörer hat, werden Radiogespräche zu diesem Thema ausgestrahlt. Auch werden in den Schulen Sensibilisierungsveranstaltungen durchgeführt. Flankierend findet Advocacy- und Lobbyarbeit statt, um die Arbeit gegen weibliche Genitalverstümmelung in Sierra Leone voranzutreiben.