Gefälschte Medikamente erkennen
Wann spricht man von gefälschten Medikamenten?
Als gefälscht gelten Medikamente, die vorsätzlich und in betrügerischer Absicht falsch gekennzeichnet wurden, bei denen also die Angaben zu ihrer Identität, ihren Inhaltsstoffen und/oder ihrer Herkunft nicht stimmen. Medikamentenfälschungen enthalten
- gar keinen Wirkstoff (bestehen z.B. nur aus Backpulver)
- einen Schadstoff (z.B. Lösungsmittel)
- den angegebenen Wirkstoff in einer falschen Dosierung (meist zu wenig, also in irgendeiner Form „gestreckt“)
- zwar die richtige Dosierung, werden aber ohne Patentrechte hergestellt und als Originale verkauft
Gefälschte Medikamente lassen sich zwar oft an der fehlerhaften Aufmachung bzw. der Verpackung erkennen, jedoch ist dies für den Laien gar nicht so einfach. Weltweit entspricht laut Weltgesundheitsorganisation WHO bei 10 Prozent der Medikamente der Inhalt nicht dem Packungsaufdruck; in Deutschland gehen Experten von einer Fälschungsrate von einem Prozent aus, Tendenz steigend.
Hohe Gewinnmargen
Warum werden Medikamente gefälscht?
Die Herstellungskosten für gefälschte Medikamente sind gering. Mit einfachen Maschinen und dank digitaler Drucktechniken lassen sich mit wenig Aufwand auf den ersten Blick kaum als Fälschungen zu entlarvende Produkte herstellen. Dem geringen Produktionsaufwand stehen enorme Gewinnmargen beim erfolgreichen Verkauf solcher Arzneimittelfälschungen gegenüber. Dazu kommt, dass in vielen Ländern die Regulierungen bei der Zulassung von Medikamenten nicht gut sind oder kaum durchgesetzt werden und die Strafgesetze keine oder nicht sehr weitgehende Regeln zur Verfolgung dieser Straftaten vorsehen. Das persönliche Risiko des Fälschers ist also deutlich geringer und mit ebenso großen Gewinnchancen versehen als das von Herstellern und Vertreibern von illegalen Drogen. Dazu kommen die im Zuge der Globalisierung zum Teil leichter gewordenen internationalen Vertriebswege und die Zunahme von Apotheken im Internet.
All dies zusammen macht die Herstellung und den Verkauf von gefälschten Medikamenten für gewissenlose Menschen zu einem attraktiven Geschäft mit schnellen und hohen Gewinnen. Sind z.B. in Europa bei besonders teuren Krebsmedikamenten die Gewinnmargen beim Verkauf einzelner Medikamentenpackungen sehr hoch, können aber auch bei weit verbreiteten Medikamenten durch die hohen Absatzmengen enorme Gewinne von den Kriminellen eingefahren werden. So wurden z.B. im September 2016 bei einer konzertierten Aktion der Weltzollorganisation und deren Partner in mehreren Ländern Afrikas Medikamentenfälschungen im Wert von 52 Millionen Euro sichergestellt - alles potenziell tödliche Medikamente!
ARD-Doku: Gefährliche Medikamente
Es ist ein Geschäft mit dem Tod: Der Handel mit mangelhaften Medikamenten. Laut der Weltgesundheitsorganisation ist in Entwicklungsländern im Schnitt jedes zehnte Arzneimittel minderwertig oder gefälscht.
Gefährliche Medikamente
Warum sind Arzneimittelfälschungen so gefährlich?
Ärzte setzen Medikamente bewusst ein, um Krankheiten zu bekämpfen. Enthält das verschriebene Medikament zu wenige, gar keine oder falsche Wirkstoffe bzw. sogar Schadstoffe, hat das immer negative Auswirkungen für den Patienten. Im besten Falle wird so einfach der Heilungsprozess verzögert. Das Ausbleiben der intendierten Wirkung kann aber auch dazu führen, dass sich der Krankheitsverlauf verschlimmert, bzw. dass irreparable Schäden durch die Krankheit entstehen. Im akuten Fall kann das den Tod des Patienten zur Folge haben.
Am Beispiel: In einigen unserer Projekte ist Malaria eine der häufigsten Todesursachen bei kleinen Kindern. Oftmals werden die kranken Kinder erst spät zum Arzt gebracht. Eine erfolgreiche Behandlung ist dann nur noch mit hochwirksamen Malaria-Medikamenten möglich. Selbst gefälschte Produkte, die den angegebenen Wirkstoff zwar enthalten, aber nicht in der nötigen Dosierung, führen so unmittelbar zum Tod solcher Kinder. Leider gehören gerade Medikamente wie Mittel gegen Malaria oder Tuberkulose-Medikamente mit zu den am meisten gefälschten Pharmaprodukten. Neben dem hohen Risiko für den einzelnen Patienten können auch die epidemiologischen Auswirkungen gefälschter Medikamente verheerend sein. So können an Tuberkulose erkrankte Patienten, die falsch dosierte Medikamente zu sich nehmen, schneller Resistenzen gegen Wirkstoffe entwickeln. Gleichzeitig geben sie wegen der ausbleibenden Wirkung der eingenommenen Filmtabletten diese resistenten Keime an viele andere Menschen in ihrer Umgebung weiter.
Informationen über Vertriebswege
Wie werden gefälschte Medikamente vertrieben?
In den USA, Europa, Kanada und Japan sind gefälschte Medikamente in Apotheken äußerst selten: Nur 1 Prozent der Präparate sind Medikamentenfälschungen, die Arzneimittelsicherheit ist über diesen Vertriebsweg sehr hoch. Anders sieht es hingegen bei Apotheken im Internet aus: Auch in den westlichen Industrienationen sind 50 Prozent der Medikamente aus dem Internet gefälscht.
Ungleich dramatischer ist die Situation allerdings in Afrika, Teilen Asiens und Lateinamerikas. Dort sind zwischen 10 und 30 Prozent aller verkauften Medikamente – sowohl in anerkannten Apotheken wie auch auf der Straße oder in unlizenzierten Läden – Arzneimittelfälschungen. Kein Vertriebsweg entspricht den hiesigen Standards der Arzneimittelsicherheit – mit verheerenden Folgen für die Gesundheit ganzer Nationen.
Original vs. Generikum
Was ist der Unterschied zwischen Originalpräparaten, Generika und Markengenerika?
Originalpräparate sind Medikamente, die von anerkannten Pharmaherstellern produziert und unter einem Markennamen vertrieben werden (ein bekanntestes Beispiel ist Aspirin von Bayer). In der Regel haben die Herstellerfirmen das Medikament selbst entwickelt und halten die Patentrechte.
Ein Generikum, im Plural Generika, ist ein Arzneimittel, das eine Kopie eines Originalpräparats darstellt. Wichtig ist dabei, dass beide Produkte dieselben Wirkstoffe in der gleichen Menge enthalten. Einzig in den verwendeten Zusatzstoffen und in der bei der Herstellung verwendeten Technologie kann es Unterschiede geben. Diese dürfen aber keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Produktes haben. Die Rechte zur Herstellung von Generika können vom Inhaber der Patentrechte eines Originalpräparats an Generika-Hersteller verkauft werden. Ein anderes Modell ist, dass ein Tochterunternehmen die Produktion und den Vertrieb des Generikums übernimmt. In beiden Fällen wird es unter dem internationalen Freinamen (INN) in Verbindung mit dem Herstellernamen verkauft. Als Markengenerika bezeichnet man Medikamente, die aus patenfreien Wirkstoffen (z.B. nach Ablauf der Patente) hergestellt und unter einem eigenen Handelsnamen vertrieben werden.
Häufig günstigere Preise bei Generikas
Unter anderem weil die Unternehmen, die Generika herstellen, nicht in die Forschung und Erprobung von Medikamenten investieren, können sie ihre Produkte oftmals deutlich unter dem Preis eines wirkstoffgleichen Originalpräparats anbieten. Gerade deshalb werden sie gerne im Bereich der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit verwendet, da sie kostengünstiger sind. Ein nicht unerhebliches Argument bei vielen spendenfinanzierten Nicht-Regierungsorganisationen. Voraussetzung dafür ist aber, dass man sich sicher sein kann, dass das eingekaufte Medikament tatsächlich die angegebenen Wirkstoffe in der vorgeschriebenen Dosierung enthalten.
Von Arzneimittelfälschungen sind allerdings nicht nur Generika, sondern auch Originalpräparate betroffen. Während Betrüger in Europa, den USA und anderen entwickelten Märkten den größten Gewinn mit dem Verkauf gefälschter teurer Originalpräparate machen, werden in anderen Regionen auch über das Massengeschäft mit gefälschten Generika große Gewinne eingefahren.
Unser Kampf gegen gefälschte Medikamente
Wie gehen die Swiss Doctors mit dem Problem um?
Generika spielen bei der Medikamentenversorgung unserer Patienten eine große Rolle, da sie in der Regel günstiger sind und wir somit die uns anvertrauten Spendenmittel effektiver einsetzen können. Auch gehört es zu unseren Prinzipien, nach Möglichkeit die Medikamente auf dem lokalen Markt unserer Einsatzregionen zu kaufen, da dies durch wegfallende Transport- und Einfuhrkosten ebenso zur Kostenersparnis beiträgt. Außerdem sehen wir es als einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Volkswirtschaften unserer Einsatzländer. Damit steigt aber auch das Risiko, an Arzneimittelfälschungen zu geraten und damit potenziell tödlich Medikamente einzusetzen.
Minilabore bringen großen Erfolg
In den Jahren 2005 bis 2016 konnten wir dank der Unterstützung der Celesio AG in einzelnen Projekten dieses Thema aktiv angehen und mit Hilfe eines für den Feldeinsatz geeigneten Minilabors (inzwischen als GPHF-Minilab® bekannt) die Fälschungsquote bei den eingesetzten Arzneimitteln in unserem Nairobi-Projekt von über 9 Prozent auf 0 Prozent senken. In Indien war der Erfolg noch durchschlagender: 2005 hatte dort die Fälschungsquote bei über 30 Prozent gelegen; diese konnte auf etwa 4 Prozent verringert werden. Nach Inbetriebnahme der zentralen Apotheke in 2012 konnten schließlich auch in unserem gemeinsam mit den Swiss und German Doctors betriebenem Kalkutta-Projekt keine gefälschten Medikamente mehr nachgewiesen werden. Ein großer Erfolg für unsere Arbeit vor Ort und insbesondere für die vielen Patientinnen und Patienten, die nun von sicheren Präparaten profitieren. Allerdings ist und bleibt es eine große Herausforderung, diese guten Werte auch über einen längeren Zeitraum zu garantieren.
Augen auf bei der Großhändler-Wahl
Daher nutzen wir, wo das möglich ist, für den Einkauf entweder auf NGOs spezialisierte Großhändler mit eigenem WHO-zertifizierten Labor wie in Kenia, oder halten uns möglichst an Händler, die bei den Tests mit dem Minilab positiv abschnitten. Es ist uns allerdings bewusst, dass die Möglichkeiten des Minilabs begrenzt sind und nur eine kontinuierliche Kontrolle einigermaßen Sicherheit gewährleisten kann. Die Prüfungen aber kosten Zeit und Geld, beides eng begrenze Ressourcen bei NGOs. Zurzeit können Kontrollen von uns nur stichprobenartig durchgeführt werden.
In anderen Einsatzländern, in denen es keinen funktionierenden Markt für Generika gibt oder wo es schlicht zu teuer ist, vor Ort einzukaufen, beziehen wir die Medikamente über anerkannte Großhändler, die sich auf die Unterstützung humanitärer Arbeit spezialisiert haben - beispielsweise für unsere Projekte auf den Philippinen. Diese Großhändler setzen eigene Labore und Mechanismen der Qualitätssicherung ein. Bangladesch ist es seit den 80er Jahren gelungen, eine eigene kontrollierte Pharmaindustrie aufzubauen. Daher gehen wir momentan davon aus, dort wirksame Medikamente auf dem lokalen Markt zu erwerben.
Der Kampf gegen Arzneimittelfälschungen dauert an
Für eine einzelne Hilfsorganisation bleibt aber letztlich das Problem gefälschter Medikamente eine große Herausforderung, die sie alleine nicht bewältigen kann. Denn unabhängige Kontrollbehörden wie z.B. bei uns das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es in Entwicklungsländern leider meist nicht – eine Prüfung der Medizinprodukte und Arzneimittel findet daher nur in unzureichendem Umfang statt. Internationale und nationale Anstrengungen müssen dazu führen, dass Patienten, bei uns in Deutschland und weltweit sicher sein können, dass sie mit den verschriebenen Medikamenten auch wirklich (nur) die zu ihrer Heilung notwendigen Wirkstoffe aufnehmen. Ziel muss es daher sein, die Arneimittelsicherheit weltweit zu verbessern. Denn es gibt leider noch immer viel zu viele potenziell tödliche Krankheiten in Entwicklungsländern - neben Tuberkulose, Malaria und HIV/Aids bedroht nun auch noch das Coronavirus die Menschen.
Weitere Arbeitsschwerpunkte
Behandlungsschwerpunkte
Welche Krankheiten sind in Entwicklungsländern besonders häufig? Erfahren Sie hier mehr über unsere Behandlungsschwerpunkte!
Kindersterblichkeit bekämpfen
Erfahren Sie, was wir tun um die Kinder- und Müttersterblichkeit vor allem in Afrika weiter zu senken, die immer noch zu hoch ist.
Frauenförderung
Insbesondere Frauen und Kinder trifft Armut ganz besonders hart. Folgerichtig bieten wir mit einheimischen Partnern Programme zur Frauenförderung an.