Was bedeutet weibliche Genitalverstümmelung?
Die weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) umfasst laut WHO jede teilweise oder vollständige Entfernung oder Verletzung der weiblichen äußeren Genitale oder eine andere Verletzung der weiblichen Genitalorgane aus nicht-medizinischen Gründen. Sie wird meist von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt, die eine zentrale Rolle in der Gemeinschaft spielen. Die Gründe für die FGM sind unterschiedlich.
Gewusst: In einigen Teilen der Welt sprechen die Menschen nicht von Genitalverstümmelung, sondern von der (Genital-)Beschneidung von Frauen. Wie viele andere Hilfsorganisationen stehen auch wir dieser Bezeichnung kritisch gegenüber: Bei der Genitalverstümmelung handelt es sich um einen schweren, irreversiblen Eingriff. Der Begriff Beschneidung hingegen umfasst, wie bei Jungen und Männern, nur die Entfernung der klitoralen Vorhaut.
Die verschiedenen Arten der Genitalverstümmelung
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird in vier Typen der weiblichen Genitalverstümmelung unterschieden:
Typ 1: Klitoridektomie: Bei dieser Form wird die klitorale Eichel (der äußere und sichtbare Teil der Klitoris, der ein empfindlicher Teil der weiblichen Genitalien ist) und/oder die Klitorisvorhaut (Haut, die die Klitoris umgibt) vollständig oder teilweise entfernt.
Typ 2: Exzision: Diese Form umfasst die teilweise oder vollständige Entfernung der klitoralen Eichel und der kleinen Schamlippen (innere Falten der Vulva) mit oder ohne Entfernung der großen Schamlippen (äußere Hautfalten der Vulva).
Typ 3: Infibulation: Bei der Infibulation werden die ganzen oder ein Teil der äußeren sichtbaren Genitalien entfernt und die vaginale Öffnung verengt oder verschlossen. Es handelt sich hierbei um eine besonders extreme Form der weiblichen Genitalverstümmelung. Frauen, bei denen eine Infibulation praktiziert wurde, müssen für den sexuellen Verkehr sowie die Geburt eines Kindes aufgeschnitten werden.
Typ 4: Weitere schädigende, medizinisch nicht-erforderliche Eingriffe: Der vierte Typ umfasst alle anderen Formen der Verletzung der äußeren und/oder inneren weiblichen Geschlechtsorgane. Dazu gehören Piercen, Einschneiden, Schaben und Verätzen des Genitalbereichs.
Mit 19 Franken im Kampf gegen Genitalverstümmelung helfen
19 Franken sorgen dafür, dass wir ein Mädchen in unserem Projekt zur Anti-Genitalverstümmelung schulen und begleiten können. Auf diesem Weg haben die Mädchen in Sierra Leone die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und über ihre Zukunft selbst zu entscheiden!
Warum werden Frauen und Mädchen genital verstümmelt?
Die Gründe für die FGM sind verschieden: In einigen Gemeinden sind es kulturelle, in manchen ästhetische Gründe. In vielen Gemeinschaften haben sie auch einen sozialen Aspekt.
Die häufigsten Gründe sind:
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Die Genitalverstümmelung als tief verankerte Tradition: Häufig ist die Genitalverstümmelung in praktizierenden Gemeinden eine tief verankerte Tradition, die von den dort lebenden Menschen kaum bis gar nicht hinterfragt wird. Die Tradition wird dabei oft auch als Argument für die Fortsetzung der brutalen Beschneidung von Frauen angeführt.
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Die Genitalverstümmelung als soziale Norm: In einigen Gemeinschaften lassen Eltern ihre Töchter genital verstümmeln aus Angst, von der Gesellschaft abgelehnt zu werden. Oft herrscht die Vorstellung, dass die Verstümmelung notwendig für gesellschaftliche Akzeptanz ist.
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Die Genitalverstümmelung begründet im Verständnis der Frauenrolle, Sexualität und Ehe: In vielen Gemeinden gehört die Genitalverstümmelung zur Erziehung eines Mädchens. Sie wird als Möglichkeit angesehen, Mädchen auf das Erwachsenwerden und die Ehe vorzubereiten. Gleichzeitig soll die FGM die eheliche Treue gewährleisten, indem sie zu einer reduzierten Libido der Frau führt und ihr so hilft, ihren außerehelichen sexuellen Handlungen zu widerstehen.
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Die Genitalverstümmelung als religiöse Pflicht: Es gibt keine Religion, die eine weibliche Genitalverstümmelung empfiehlt, und dennoch kursiert in vielen Gemeinschaften der Glaube, dass diese Praktik Teil einer religiösen Pflicht sei.
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Die Genitalverstümmelung als Symbol der Weiblichkeit: Während es in Ägypten ein Zeichen der Schönheit ist, das äußere Genital zu entfernen, wird die Klitoris in Mali, Burkina Faso sowie in Westafrika oft entfernt, weil sie ein Zeichen für Männlichkeit ist.
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Hygienische und gesundheitliche Gründe: In einigen Gemeinden wird die Genitalverstümmelung auch darin begründet, dass die Vagina einer Frau durch das Fehlen der Klitoris besser sauber gehalten werden kann. Gleichzeitig soll die Fruchtbarkeit durch die Praktik erhöht werden.
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Ökonomische Gründe: In manchen Teilen der Welt, zum Beispiel in Sierra Leone, gilt die Genitalverstümmelung als Voraussetzung für die Ehe. Der Brautpreis richtet sich dabei nach dem Ausmaß der Verstümmelung. Entsprechend sind viele Familien an einer Praktik für ihre Töchter oder (Enkel-)Töchter interessiert.
Die Genitalverstümmelung als Menschenrechtsverletzung
Hierzulande sowie in einigen Konventionen und Resolutionen der Vereinten Nationen (UN) und der Europäischen Union (EU) gilt die Genitalverstümmelung als Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit mit schlimmsten körperlichen und seelischen Folgen. Auch außerhalb Europas haben einige Länder Gesetze gegen die weibliche Genitalverstümmelung verabschiedet. In Ägypten, Australien, Benin, Burkina Faso, Djibouti, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea, Guinea-Bissou, Kanada, Kenia, Neuseeland, Niger, Senegal, Simbabwe, Tansania, Togo, Uganda, in den USA sowie in der Zentralafrikanischen Republik gilt die Praktik ebenfalls als Straftat. In einigen Gemeinschaften wird sie dennoch angewandt.
Hier ist die Genitalverstümmelung besonders stark verbreitet
Weite Verbreitung in den afrikanischen Staaten: In vielen Ländern gibt es bereits Strafgesetze gegen die genitale Verstümmelung von Frauen. Dennoch werden jedes Jahr zahlreiche Mädchen und Frauen genital verstümmelt. Vor allem in den afrikanischen Staaten ist die weibliche Genitalverstümmelung weit verbreitet und damit ein großes Problem. Am häufigsten wird die weibliche Genitalverstümmelung in Somalia, dem nördlichen Sudan, Eritrea, Sierra Leone und Djibouti praktiziert.
Auch in den südlichen Teilen der arabischen Halbinsel, am Persischen Golf ebenso wie in muslimischen Gemeinden in Indien, Malaysia und Indonesien findet die Genitalverstümmelung bis heute Anwendung.
Bei Mädchen verschiedener Altersgruppen
Die weibliche Genitalverstümmelung wird vor allem an jungen Mädchen zwischen dem Säuglingsalter und dem 15. Lebensjahr durchgeführt. Das Alter der Betroffenen variiert regional stark. So werden in Äthiopien und Nigeria Mädchen im Alter von sieben bis acht Tagen beschnitten, während in Somalia, Ägypten und im Sudan Mädchen zwischen fünf und zehn Jahren der Praktik unterzogen werden. In anderen Teilen Ostafrikas findet die Genitalverstümmelung während der Hochzeitsnacht statt. In Westafrika ist es üblich, dass die Verstümmelung während der ersten Schwangerschaft praktiziert wird.
Auch in Deutschland nimmt die Zahl zu
Auch die Zahl der in Deutschland lebenden Mädchen, die genital verstümmelt sind, steigt. Schätzungsweise 68.000 Frauen, die momentan in Deutschland leben, sind von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. 2017 waren es noch 40 Prozent weniger. Circa 15.000 minderjährige Mädchen sind außerdem von der Genitalverstümmelung bedroht.
Durch die zunehmende Migration nimmt die Zahl der betroffenen Frauen und Mädchen in Europa, Kanada, Australien, Neuseeland und in den USA ebenfalls zu.
Weibliche Genitalverstümmelung stoppen
In Sierra Leone setzen sich die Swiss Doctors aktiv erfolgreich gegen die weibliche Genitalverstümmelung ein. Erfahren Sie mehr über das Projekt und unsere Hilfe vor Ort.
Wie wird die Genitalverstümmelung praktiziert?
Die FGM werden von Frauen, sogenannten Beschneiderinnen, mithilfe von Messern, Skalpellen, Glasscherben, Rasierklingeln oder Ähnlichem durchgeführt. Die Beschneiderinnen verfügen in der Regel über keine medizinischen Kenntnisse und arbeiten unter schlechten hygienischen Verhältnissen. Die Praktik dauert meist etwa 15 bis 20 Minuten.
In einigen Ländern werden die Genitalverstümmelungen mittlerweile auch von Hebammen oder medizinischem Personal vorgenommen, um die Komplikationen und das Ausmaß der Eingriffe zu reduzieren.
Was sind die Folgen der Genitalverstümmelung?
Jede Form der Genitalverstümmelung hat gesundheitliche Folgen für die betroffenen Frauen und Mädchen. Mit zunehmender Schwere der Verstümmelung steigen auch die gesundheitlichen Schäden für die Betroffenen. Neben körperlichen Folgen sind es auch psychische und seelische Folgen.
Unmittelbare Folgen laut WHO:
- starke Schmerzen
- starke Blutung
- Schwellung des Genitalgewebes
- Fieber
- Infektionen, z. B. Tetanus
- Harnprobleme
- Wundheilungsprobleme
- Verletzung des umgebenden Genitalgewebes
- Schock
- Tod
Langfristige Folgen laut WHO:
- Harnwegsprobleme (schmerzhaftes Wasserlassen, Harnwegsinfektionen)
- vaginale Probleme (Ausfluss, Juckreiz, bakterielle Vaginose und andere Infektionen)
- Menstruationsbeschwerden (schmerzhafte Menstruation, Schwierigkeiten beim Menstruationsbluten usw.)
- Narbengewebe und Keloid
- sexuelle Probleme (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, verminderte Zufriedenheit usw.)
- erhöhtes Risiko für Geburtskomplikationen (Schwierigkeiten bei der Geburt, übermäßige Blutungen, Kaiserschnitt, Notwendigkeit einer Wiederbelebung des Babys usw.) und Neugeborenen-Todesfälle
- Notwendigkeit späterer Operationen: Zum Beispiel kann die Versiegelung oder Verengung der Vaginalöffnung (Typ 3) dazu führen, dass die verschlossene Vagina später für den Geschlechtsverkehr und die Geburt aufgeschnitten werden muss. Manchmal wird Genitalgewebe mehrmals wieder genäht, auch nach der Geburt, daher durchläuft die Frau wiederholte Öffnungs- und Schließvorgänge, was sowohl die unmittelbaren als auch die langfristigen Risiken weiter erhöht.
- psychische Probleme (Depression, Angst, posttraumatische Belastungsstörung, geringes Selbstwertgefühl usw.)
So setzen sich die Swiss Doctors gegen die Genitalverstümmelung ein
Jeder Mensch hat das Recht, ein gesundes Leben zu führen. Deshalb setzen wir uns aktiv für die Frauengesundheit in Entwicklungsländern ein.
In Sierra Leone bekämpfen wir seit Ende 2020 gemeinsam mit unserer Partnerorganisation „Commit & Act Foundation Sierra Leone“ mit dem Projekt „My Body My Right“ die weibliche Genitalverstümmelung. In Sierra Leone, wo laut UNICEF nach wie vor rund 86 Prozent der Frauen und Mädchen verstümmelt sind, konnten wir bereits 400 Mädchen aus vier Gemeinden für unser Projekt gewinnen. Sie sind Vorbild für viele andere Mädchen. Dadurch steigt die Nachfrage nach einer Aufnahme in das Programm weiter. Wir wollen die Beschneidung von Frauen und Mädchen endlich stoppen!
Aufklärungsveranstaltungen vor Ort: In Sierra Leone ist die Genitalverstümmelung tief verwurzelt, weshalb es wichtig ist, vor Ort durch ein geschultes Team über das Thema aufzuklären. Unsere Projektmitarbeitenden klären in Veranstaltungen sowie über das Radio die Öffentlichkeit in Sierra Leone auf. Ziel ist es, ein Bewusstsein für die weitreichenden Folgen für Körper und Seele zu schaffen – und die tiefe Verwurzlung in der Gesellschaft zu lösen.
Advocacy- und Lobbyarbeit auf nationaler Ebene: Für einen grundlegenden Wertewandel muss auch auf nationaler Ebene eine Veränderung stattfinden. Ein Austausch über die menschenrechtsverletzende Praktik soll langfristig zu einer Abschaffung der FGM führen.
Bildung vorantreiben: Ein Wertewandel kann ebenfalls nur stattfinden, wenn Frauen und Mädchen Zugang zu Bildung bekommen und berufliche Perspektiven haben. Unsere Projektmitarbeitenden betonen deshalb vor Ort die Relevanz von Schulbildung, stellen Schulmaterialien bereit und unterstützen Familien finanziell, damit ihre Töchter die Schule besuchen können.
Monetäre Anreize - Unterstützung der Familien der Mädchen zum Aufbau eines Kleingewerbes: Ein weiterer Teil unseres Projektes gegen weibliche Genitalverstümmelung beschäftigt sich damit, monetäre Anreize für die Familien in Sierra Leone zu schaffen. Denn in Sierra Leone erhalten Eltern einen Brautpreis für ihre Tochter, der sich nach der Genitalverstümmelung richtet. Die Beschneidung der Frauen ist oftmals Voraussetzung für die Ehe.
Diejenigen, die sich an die Vereinbarung halten, ihre Tochter nicht beschneiden oder verstümmeln zu lassen, erhalten eine finanzielle Unterstützung. Diese monetäre Unterstützung soll die Familien motivieren, sich eine nachhaltige Einkommensquelle aufzubauen, zum Beispiel ein Kleingewerbe.
Ihre Hilfe zählt!
Unsere Swiss Doctors sind im Einsatz, um Menschen zu helfen, die sich sonst keine medizinische Hilfe leisten können. Für unsere Einsätze sind wir auf Spenden angewiesen, um zum Beispiel vor Ort Trainings anzubieten oder das Schulmaterial der Mädchen zu finanzieren.
Ihre Spende hilft, uns zu helfen – und die weibliche Genitalverstümmelung nachhaltig zu bekämpfen.
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